Veröffentlicht in Neuseeland

Magisch. Faszinierend. Einmalig.

……. nachdem wir von den Schwefelschwaden im Wai-O-Tapu Wonderland verschluckt wurden, schlingerten wir am Abend über eine matschige Weidelandschaft zwischen neugierigen Kühen, Hunden und Pferden hindurch. Während die anderen Kühe ihre Schnauzen genüsslich im nassen Gras versenkten, witterte eine von ihnen Streicheleinheiten und trottete hinter unserem Auto her. Langsam und gemütlich stapfte sie auf uns zu und wollte uns doch glatt persönlich begrüßen. Solche Momente müssen natürlich auf Kamera festgehalten werden. Hektisch kramte ich auf der anderen Seite des Autos in meiner Tasche, als Nico auch schon wie ein kleines Mädchen quiekend um das Auto hechtete, hineinsprang und die Schiebtür zuzog. Vorbei war der Moment samt Kuh, die weiter zu unserem Nachbarn trottete und dort ihr Glück versuchte.

„Warum hast du die Kuh denn nicht aufgehalten?“
„Ich halte doch keine Kuh auf“, kam es nur mit vielen Fragezeichen im Gesicht entgeistert aus dem Wageninneren zurück.

War im Nachhinein auch besser so, denn die Kuh wurde man schwer wieder los. Ein abendfüllendes Schauspiel mit anzusehen, wie der Hund die Kuh jagt, die Kuh Schutz bei den Menschen sucht, die jedoch eigentlich nur ihr Zelt in Ruhe aufbauen wollten.

 

Wo helle blutrote Blitze durch die dichten schwarzen Wolken am Himmel zuckten und das anschließende tiefe Grollen die Karge, mit blubbernden Feuerschloten durchzogene spitze Landschaft erbeben ließ, während eine feine Ascheschicht alles unter sich begrub, wartete der allesverschlingende feuerspuckende Schicksalsberg auf uns. Na wenn das mal kein Abendteuer wird, den Weg von Frodo und Sam zu beschreiten. Nicht umsonst habe ich so viele Berge erobert und mich den Strapazen der letzten Monate ausgesetzt. Jetzt war der Tag der Tage bekommen, um den Ort wahrhaftig zu erleben, der Peter Jackson als Mordor für seine Herr der Ringe Triologie diente. Mit dem ersten Sonnenstrahl – nein, dem ersten Dämmerlichtchen – starteten wir unsere nächste Mission. Stolz darauf, schon so früh wach zu sein.

Sonnenaufgang

Wir wussten, dass es voll werden würde, aber trotzdem hofften wir tief und still in unserem Inneren, dass es vielleicht nicht ganz so schlimm werden würde. Die Blase der Hoffnung zerplatzte jedoch bereits, als wir vergeblich morgens um 5:30 Uhr einen Parkplatz suchten. Langsam schlichen wir an den parkenden Autos am Straßenrand entlang und konnten doch noch eine kleine Lücke ergattern. Auf den ersten Schreck frühstückten wir erst einmal und machten uns dann in sportlicher Ausrüstung und mit unseren Wanderstöckern auf zum Abfahrtspunkt Ketetahi, wo ein Bus nach dem anderen die Heerscharen von Menschen zum Startpunkt Mangatepopo fuhren. Ihr Ziel: Der Tongariro Nationalpark mit einer der beliebtesten Tageswanderungen, dem Tongariro Alpine Crossing.
Die Route von Mangatepopo nach Ketetahi ist die beliebteste. Auto am Punkt Ketetahi abstellen, Shuttle nehmen (unbedingt vorher buchen), zum Punkt Mangatepopo fahren lassen und dann zurück nach Ketetahi wandern. Andersrum geht natürlich auch, ist aber mit vielen langen Aufstiegen und erheblichen Gegenverkehr verbunden.

Die Steine knirschten unter unseren Füßen als wir den Bus verließen, das trockene Gras und die knochigen Büsche raschelten und bewegten sich leicht im Wind, die Sonne wärmte unsere Gesichter und stieg langsam empor. Keine einzige Wolke versperrte die Sicht, dafür aber Hunderte von Menschen, die sich vor, hinter und neben uns mal schneller, mal langsamer in die gleiche Richtung bewegten. Zwischen lautem Gequatsche und allesbeschallenden Technobeats schoben wir uns den schmalen Kiesweg entlang und hatten schlechte Laune. Was hatten wir auch erwartet, wenn der Wetterbericht nur zwei Tage schönes Wetter vorhersagt, die Hochsaison eh alles sprengte, wir uns auf DER Tageswanderung in Neuseeland befanden und ausgerechnet heute zwei Schulklassen einen Ausflug machten. Mit meinen kleinen Murkelbeinen war ich eh nicht so schnell unterwegs und nach und nach lichtete sich die Menschenmasse und man konnte auch etwas von seiner Umgebung wahrnehmen, ohne ständig jemandem im Weg zu stehen.

Der Mount Ruapehu im Tongariro Nationalpark
Der Mount Ruapehu im Tongariro Nationalpark
Auf auf, ihr kleinen Hobbit-Menschen
Auf auf, ihr kleinen Hobbit-Menschen

Mit 19,4km war es nicht die schwerste, dafür aber die längste und schönste Wanderung in unserem Urlaub. Es gab so viel zu entdecken. Der Mt. Ngauruhoe oder Mount Doom bzw. Schicksalsberg ist überall präsent und man wird einfach nicht satt davon, Bilder aus jeglichen Positionen und Winkeln zu schießen.

 

Mount Ngauruhoe am Anfang des Tracks
Mount Ngauruhoe am Anfang des Tracks
South Crater
South Crater
Grüße vom South Crater mit Blick auf den Mount Ngauruhoe
Grüße vom South Crater mit Blick auf den Mount Ngauruhoe

Ebendiesen kann man tatsächlich besteigen, jedoch sollte man hier zusätzliche 3 Stunden für Auf- und Abstieg einplanen – für mich wären es vermutlich eher 5. Denn einen richtigen Weg gibt es wohl nicht. Man schlängelt sich halt auf dem losen Gestein und Geröll hinauf, wo man mit den Schuhen sicheren Halt findet. So viel Abenteuer musste es dann jedoch nicht sein.

Da oben..... waren wir nicht.
Da oben….. waren wir nicht.

Ach was war das schön. Zeilenweise könnten wir von der goldbraunen Sandwüste mit dem dominant aufragenden Mt. Ngauruhoe vor dem hellblauen Himmel oder dem Red Crater schwärmen, dessen Wände immer noch wie tiefrote, flüssige Lava wirkt und sich langsam ihren Weg in die Tiefe bahnt oder im silbernen Funkeln der Sonnenstrahlen auf den glatten Flächen der drei Emerald Lakes versinken, die von blassgrün, bis tiefgrün oder einem knalligen türkis, umrahmt von den gelborangenen, schwefeligen Uferrändern und dem braunen Gestein so schnell ihre Farbe wechselten, wie die Wolken über ihnen hinweg zogen. Magisch. Faszinierend. Einmalig. Ja, und schweißtreibend. Einige Teilstrecken hatten es in sich. Was will man auch erwarten, wenn man vor Treppen steht, die sich Devil’s Staircase nennen?

Kleine Kletterpartie zum Red Crater
Kleine Kletterparie zum Red Crater

Hat man das teuflische Treppenhaus hinter sich gelassen, nimmt der Red Crater die volle Aufmerksamkeit ein. Wie wir da so leibhaftig als Winzlinge vor dem riesigen roten Loch standen, schoss mir nur eines durch den Kopf: Der Red Crater ist definitiv weiblich. Unverkennbar wurde hier die Weiblichkeit von Mutter Erde in voller Pracht geformt. 🙂

Mount Ngauruhoe mit dem Red Crater im Vordergrund
Mount Ngauruhoe mit dem Red Crater im Vordergrund
Posieren vor dem Red Crater
Posieren vor dem Red Crater
Blick in den Red Crater
Blick in den Red Crater

Konnte man sich von dem Anblick losreißen, erwartete einen auch schon der legendäre Blick auf die drei Emerald Lakes und ganz hinten auf den großen Blue Lake.

Atemberaubender Ausblick
Atemberaubender Ausblick

Bis dahin war es jedoch ein recht rutschiger und steiler Abstieg, bestehend aus Asche, Sand und losem Geröll. Zuerst machten wir es uns jedoch auf einem der Gesteinsbrocken gemütlich, vertilgten unser Mittagessen und schauten amüsiert bei den ganzen Abstiegsvarianten zu, die sich die Leute so einfielen ließen. Eigentlich hat man ja schon verloren, wenn man mit weißen Klamotten und Sonnenhütchen diese Wanderung bewerkstellig, frontal ohne Sinn und Verstand den Berg hinunterläuft und sich dann alle paar Schritte unkoordiniert und ohne jegliche Spannung wie ein nasser Sack in den weichen Sand fallen lässt. Selbstverständlich versucht man in einem vagen Anflug auch noch die weißen Sachen von dem Dreck zu befreien und fällt gleich wieder hin. Da macht Mann es sich gleich ganz einfach und robbt einfach auf dem Allerwertesten runter.

Ein kleiner Einblick in die Abstiegsvarianten
Ein kleiner Einblick in die Abstiegsvarianten

Gesättigt und in Staubwolken gehüllt verließen wir unseren Beobachtungsposten auf dem höchsten Punkt der Tageswanderung, dem 1886 m hohen und immer noch aktiven Red Crater und bogen in einen kleinen Nebenweg ein, der uns direkt an den leuchtenden Seen vorbei führte.

Rutschpartie
Rutschpartie
Lust auf eine Abkühlung?
Lust auf eine Abkühlung?
Auf zum letzten Emerald Lake
Auf zum letzten Emerald Lake
Farbtupfer deluxe
Farbtupfer deluxe

Mittlerweile waren wir fast alleine und die braungefärbte Gesteinslandschaft, mit den dampfenden Schloten, verströmte eine unglaubliche Ruhe und Anmut. Es war einfach imposant, inmitten dieser riesigen Landschaft zu stehen und innerhalb von wenigen Stunden solch eine Vielfalt zu erleben. Wenn der Weg von Deutschland nicht so weit wäre, würde ich mich glatt von meiner Couch hochbequemen und auf der Stelle loswandern.

Rückblick auf den Red Crater und den wolkenverhangenen Mt. Ngauruhoe
Rückblick auf den Red Crater und den wolkenverhangenen Mt. Ngauruhoe

 

Dann blende ich jedoch die unglaublich tolle und faszinierend unwirklich erscheinende Landschaft aus und erinnere mich an die qualvollen 9 Kilometer und 1.000 Höhenmeter zurück zum Parkplatz. Anfangs noch zwischen blankem Vulkangestein hindurch, säumten immer mehr Farne und Blumen den Weg und verwandelten sich am Ende zu einem dicht bemoosten Wald mit Flusslauf. Der Abstieg vom Red Crater im lockeren Sand war da ja noch ein Klacks. Die Knie bogen sich geschmeidig durch und die Federung funktionierte einwandfrei. Dieses Hochgefühl von Sportlichkeit hielt jedoch nicht lange an. Ich verfluchte alles und jeden. Das grüne Gras, welches an meinen Armen kitzelte, die losen Steine, die mich rutschen ließen und erst recht die furchtbaren Treppenstufen zwischendrin. Die hielten mich nämlich am längsten auf. Jedes Mal aufs Neue musste ich mir überlegen in welchem verfluchten Winkel ich meine mittlerweile marode gewordenen Holzstämme (Beine) positionierte, um am schmerzunempfindlichsten die Stufen zu bewältigen. Mir zitterten die Beine von den Schmerzen, mir zitterten die Arme vom ständigen Gewicht auf den Krück-(Wander)stock verlagern, um meine zitternden Knie zu schonen und am Ende schmerzte ebenfalls mein Kiefer vom ständigen Zähne aufeinanderpressen. Das wirkte sich wiederum auf meinen Kopf auf, der mit jedem Schritt weiter zu pochen anfing. Also alles rundum scheiße. Jetzt aber Schluss mit der Wehleidigkeit. Kann ich ja nichts dafür, dass ich einfach nicht für Sport gebaut bin. Es war ja die letzte Wanderung solchen Ausmaßes und der Retter der Unsportlichen wartete bereits auf uns/mich. Wir hatten nämlich während des Wanderns die Bekanntschaft von zwei Österreichern gemacht, mit denen wir gut über die Hälfte der Tageswanderung gemeinsam bestritten. Asche über unser Haupt, wir haben leider die Namen der Beiden vergessen. Aber es war so: Während ich noch mühsam ein Bein vor das andere schob und Nico sich mitleidig meinem Tempo anpasste, waren die Beiden bereits aus unserem Blickfeld verschwunden. Am Ende des Tracks trafen wir uns wieder und ein Lichtschein erhellte das Ende des Tunnels, als sie uns eröffnete, dass ihr Freund den restlichen Weg zum Parkplatz schon einmal vorgelaufen ist und uns hier mit dem Auto abholt und uns direkt zu unserem Auto fährt. Hätte ich mich noch bewegen können, wäre ich freudig umher gesprungen. So ließ ich mich in völliger Erleichterung zurückfallen, schloss die Augen und war froh, dass mir ein weiterer Kilometer nach fast 10 Stunden erspart blieb. Vielen Dank.

 

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